Wie der Faktor Zeit den Erfolg von Veränderungen beeinflusst
Die Wellen der Veränderung schlagen hoch. Sehr hoch sogar. Ob digitale Transformation oder Klimawandel: Themen, die lange wenig Beachtung gefunden haben, stehen auf einmal ganz oben auf der Agenda von Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Und das ist gut so!
Immer drängendere Erneuerungsideen
Nachdem jahrelang wenig voran ging, kann es jetzt plötzlich nicht schnell genug gehen. Auch diejenigen, die bislang als Zögerer und Zauderer unterwegs waren, überbieten sich jetzt in Erneuerungsforderungen. Das gilt sogar für Branchen, in denen der Status Quo heilig schien. Beispiel Autoindustrie. Lange galt das benzingetränkte Geschäftsmodell der deutschen Automobilhersteller als unantastbar. Heute übertrumpfen sich die Konzerne mit weitreichenden Veränderungsplänen, die vor nichts Halt machen.
Umlenken, und zwar sofort
VW zum Beispiel. Bis 2025 soll ein Viertel der Autos einen elektrischen Antrieb haben. 30 Milliarden Euro wollen die Wolfsburger bis 2023 investieren. Bei solchen Zahlen wird deutlich: nach jahrelangem Kurshalten soll der Riesentanker in hohem Tempo die Richtung ändern. Doch nicht nur das Geschäftsmodell dreht sich. Auch die Kultur soll anders werden. Ganz anders. So formulierte VW-Konzernchef Diess vor seinen Managern, ab jetzt solle „das Zusammen“ im Vordergrund stehen. Die Kultur müsse „ehrlicher, offener, aufrichtiger“ werden. VW solle „unternehmersicher, diskussionsfreudiger und weniger hierarchiegläubig“ sein. Gute Idee, aber…?
Transformation auf Befehl? Geht nicht!
Beim Lesen solcher Sätze bleibt einem ja kaum etwas übrig, als das richtig zu finden. Oder? Um ehrlich zu sein, meldet sich bei mir sofort der innere Zweifler zu Wort, wenn ich solche Sprüche höre. Meine Erfahrung sagt mir: Veränderung braucht Zeit. Vor allem, wenn sie grundlegend sein soll. Da kann man auch als Vorstandsvorsitzender fordern und befehlen, was man will. Transformation geschieht nicht von jetzt auf sofort. Der Grund: Menschen verändern sich nicht auf Befehl. Bleiben wir beim Beispiel VW. Die Kultur dort ist ja mit Grund so gewachsen, wie sie ist. Die Menschen dort sind nicht zahlenfixiert und hierarchiegläubig, weil sie das besonders toll finden. Sondern weil sie jahrelang dafür belohnt worden sind, wenn sie diese Eigenschaften leben. Sie haben gelernt, so zu sein, wie sie jetzt plötzlich nicht mehr sein sollen.
Neues wachsen lassen braucht Zeit
Das ist das Dilemma. Das, was jahrelang gefordert war, ist plötzlich Schnee von gestern. Da kommen Menschen in den Unternehmen aber nicht mit. Sie brauchen Zeit: um Altes loszulassen und Neues zu lernen. Nur so verändert sich die Kultur eines Unternehmens. Und nur so gelingt Transformation. Deshalb gilt: Auch wenn die Wellen der Veränderung hoch schlagen, hilft Panik und Aktionismus nicht. Wer wirksam und langfristig verändern will, muss Zeit mitbringen. Denn Neues wächst nur mit ausreichend Zeit. Egal, wie eilig es einem sein mag. Kurzum: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!