Wir sind umgeben von Erfolgsgeschichten und Erfolgsmenschen. Das ist grundsätzlich eine tolle Sache. Visionäre Menschen mir genialen Geschäftsideen verwirklichen sich selbst und werden auch noch reich damit. Im Fernsehen werden nur noch Superlative gesucht: Supermodels, Superstars, „The Biggest Looser“. Überall nur Gewinner, die alle ihr Ding gefunden haben und damit erfolgreich sind. Und dann… naja…. dann gibt es einen selbst. Und da kann mal schon mal an sich zweifeln. Ist man doch meilenweit entfernt von dem Außergewöhnlichen, den genialen Geschäftsideen, dem großen Durchbruch zum Super-Erfolg.
Hieß es nach dem Zweiten Weltkrieg „Wohlstand für alle!“ so heißt es heute offensichtlich „Erfolg für alle!“ Diese Forderung kann mal ja mal aufstellen, jetzt da die gesellschaftliche Grundversorgung weitestgehend gesichert ist. Und wir kommen ins Grübeln: Was ist denn eigentlich mein Ding? Mein Talent? Und so machen wir uns auf den Weg der Selbstverwirklichung. Schließlich haben wir ja die Möglichkeit alles zu werden, was wir wollen. Aber Achtung: Das bedeutet NICHT, dass wir mit dem, was wir wollen auch automatisch gut sein können. Und das bedeutet auch nicht, dass mit dem, was wir wollen der Erfolg zwangsläufig sich ergibt. Vielleicht können wir also doch nicht alles werden, was wir wollen, sondern nur, was wir können und was wir sind. Und auch hier mangelt es nicht an Aufforderungen: Sei du selbst! Ja. Gut. Und wer bin ich? Was zeichnet mich aus? Welche Talente habe ich? Hinter diesen Fragen verbirgt sich eigentlich eine ganz andere Frage, nämlich: Wie gut bin ich? Wir vergleichen uns mit anderen und das ist ein Keim für viel Unzufriedenheit. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der wir unser Selbst ständig zu optimieren haben. Wir sollen das Beste aus uns raus holen, unsere Stärken stärken, an unserer Persönlichkeit arbeiten. Was wäre, wenn ich bei dieser Selbstmaximierung nicht mitmache? Wenn ich mich entscheide, dass ich gut bin, so wie ich bin? Gehöre ich dann zur breiten Masse? Und wenn: Was ist so schlecht daran? Ich würde wohl aus Mangel an Mut und Entschlossenheit unter meinen Möglichkeiten bleiben. Und dann? Wäre ich unglücklich? Oder vielleicht gerade glücklich? Es gab Zeiten, da wurde das Mittelmaß angestrebt: In der Antike strebten die Menschen nach der „goldenen Mitte“ und Aristoteles sah das Mittelmaß als anzustrebenden Punkt zwischen zwei gefährlichen Extremen. Zum Beispiel zwischen dem Extrem der Tollkühnheit und dem anderen Extrem der Feigheit sah er die Tapferkeit. Wir brauchen in einer Zeit des Selbstmaximierungswahns vielleicht wieder mehr Mut, uns mit der Masse zu verbinden und zu sein wie wir sind. Nicht wer wir sein sollten.