Wie Privatprobleme die Produktivität beeinflussen und wie man damit umgeht
Die Auswirkungen von Privatproblemen der Führungskräfte auf die Mitarbeitenden wird in Unternehmen unterschätzt. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die persönlichen Belastungen der Chefs und Chefinnen direkte Auswirkungen auf die Arbeitsatmosphäre, die Leistung und die Gesundheit der Mitarbeitenden haben.
Wie entsteht diese Korrelation und was kann man dagegen tun?
Der Zusammenhang zwischen dem persönlichen und beruflichen Leben der Chefs
Wir alle wissen, dass private Sorgen und Stress unsere Arbeit beeinflussen können. Ob es ein Streit zu Hause, schlaflose Nächte wegen kranker Kinder oder andere persönliche Probleme sind – diese Belastungen können sich auf die Arbeit auswirken.
Forscher wie Lieke L. ten Brummelhuis, Maree Roche und Jarrod M. Haar haben in Studien gezeigt, wie stark das Familienleben von Führungskräften mit ihrem beruflichen Verhalten korreliert. Insbesondere in der COVID-19-Pandemie wurde deutlich, wie stark Privat- und Berufsleben miteinander verknüpft sind. Die Stimmung des Chefs oder der Chefin wirkt sich direkt auf die Leistung und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden aus. Unausgeglichene Führungskräfte haben oft auch frustrierte Mitarbeitende. Dies ist das logische Resultat von Druck, schlechter Stimmung und Mehrarbeit ohne Ausgleich und Wertschätzung.
Ein gutes Familienleben als Treiber für positives Führungsverhalten
Interessanterweise zeigt die Forschung auch, dass ein ausgeglichenes Privatleben und ein gesundes Familienleben dazu beitragen kann, positives Führungsverhalten zu fördern. Wenn Führungskräfte außerhalb der Arbeitszeit positiv mit ihren Kindern interagieren, als Familie und/oder als Paar gemeinsame schöne Erlebnisse haben, entwickeln sie sich zu besseren Führungskräften. Dies liegt unter anderem daran, dass die Vorbildfunktion von Führungskräften sowohl im Privatleben als auch um Beruf eine wichtige Rolle spielt.
Woran erkennen Mitarbeitende, dass ihre Führungskraft gestresst ist?
Ob frustriert, zynisch oder überlastet: So zeigt sich der Stress unter anderem:
Die Tür ist zu
Sobald Führungskräfte für Mitarbeitende nicht mehr verfügbar sind, bröckelt das Vertrauen. Doch private und familiäre Probleme bringen oft Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Erschöpfung mit. Ein Rückzug ist daher nur menschlich. Oft ist die Führungskraft kaum mehr erreichbar, wirkt verschlossen, ist kurz angebunden.
Für Mitarbeitende ist die Situation verwirrend und unbefriedigend. Ihnen fehlt die Orientierung, das Feedback und eine klare Kommunikation.
Zynismus
Mitarbeitende leiden unter emotionaler Kälte, Spott und Verachtung einer zynischen Führungskraft. Negative Kommentare und Herabwürdigung von zermürben ein Team und beeinträchtigt dessen Leistung.
Hinter Zynismus, der oft aus schmerzhaften Erfahrungen resultiert, verbirgt sich die Grundeinstellung „Sinnlosigkeit“. Misstrauen ist allgegenwärtig. Ob Scheidungskrieg, Kinder, die aufgrund von Konflikten den Kontakt abbrechen oder andere prägende Erlebnisse – wer sein Umfeld mit zynischen Kommentaren herabwürdigt, sucht oft ein Ventil für solch belastenden Ereignisse.
Keine Selbstbeherrschung
Führungskräfte explodieren in scheinbar harmlosen Momenten, weil sie Probleme mit ihrer eigenen Impulskontrolle haben. Privater Stress, der durch beruflichen Stress verstärkt wird, kann das Fass schließlich zum Überlaufen bringen. Und nicht selten bekommt das gesamte Team die explosive Ladung ab.
Passiv-aggressiv
Neben offensichtlichen „Explosionen“ gibt es auch die passive Aggression. Wer privat viel Wut unterdrückt und schlucken muss, kehrt Ärger, der nicht kommuniziert werden kann, nach innen. Dieser kann sich schließlich als passiv-aggressives Führungsverhalten äußern.
Für Mitarbeiter hat das folgende Folgen:
- Mitarbeitende wissen nicht, woran sie sind – weil der Chef nicht äußert, was er denkt.
- Es kommt zu Missverständnissen und Konflikten, weil die Führungskraft unklar oder nur indirekt kommuniziert.
- Beschäftigte bekommen immer wieder subtile, fast unauffällige Sticheleien zu hören.
Was können Mitarbeitende tun?
Reden hilft! Mitarbeitende sollten ihrer Führungskraft eine Rückmeldung dazu geben, wie sie die Führungskraft erleben. Z.B: „Ich habe in den letzten Tagen/Wochen beobachtet, dass Ihre Tür plötzlich immer zu ist, Sie sehr kurz angebunden sind und auf Fragen nur vage antworten, im Meeting sehr impulsiv sind (…). Das ist ungewöhnlich. So kenne ich Sie gar nicht. Leider wirkt sich das langsam negativ auf die Produktivität im Team aus. Was können wir tun, um diese Situation wieder zu verbessern?“
Was können Führungskräfte selbst tun?
Jeder darf auch mal einen schlechten Tag haben. Das ist menschlich! Gefährlich für Mitarbeitende wird es erst, wenn private Probleme das Führungsverhalten dauerhaft negativ beeinflussen. Deshalb folgende Tipps:
1. Selbstreflexion
Die Fähigkeit, sein eigenes Denken und Handeln einordnen und reflektieren zu können, ist für eine gute Führungskraft besonders wichtig. Ein Ausrutscher passiert jedem – doch Mitarbeitern für eigene Fehler immer wieder die Schuld in die Schuhe zu schieben, sie herabzuwürdigen oder sie vor dem Team bloßzustellen, ist kein Ausrutscher, sondern oft eine bewusste Entscheidung, wenn die Handlungen systematisch erfolgen. Deshalb ist gute Selbstreflexion gefragt.
2. Selbstregulation
Privater Stress begleitet uns bis ins Büro. Und auch Führungskräfte sind keine übernatürlichen Wesen, sondern Menschen mit Gefühlen, die diese nicht auf Knopfdruck abschalten können. Doch wie man diesen Stress innerlich reguliert, kann man trainieren. Das bewusste Wahrnehmen von dem, was uns beschäftigt, wie wir darauf reagieren und wie wir mit unseren Emotionen umgehen, kann helfen, einen besseren Umgang mit Sorgen, Ängsten und Wut zu finden. Sich auf das zu fokussieren, was man ändern kann bewahrt einen vor der Opferrolle, in der man sich nur ausgeliefert fühlt. Sich separate (gedankliche und physische) Räume einrichten, in denen schwierige Gedanken für einen begrenzten Zeitraum Platz finden dürfen.
3. Entschuldigen
Ob eine Erklärung oder manchmal auch eine persönliche Entschuldigung angebracht ist: Auch Führungskräfte müssen sich überwinden, wenn sie sich daneben benehmen. Gestresst ist jeder mal, aber das daraus resultierende Verhalten kann Kollateralschäden verursachen.
Toxisches Führungsverhalten nicht tolerieren
Wenn private Probleme von Führungskräften zur Dauerbelastung für Mitarbeitende werden, kann ein solches Verhalten die Fluktuation erhöhen und dem Unternehmen schaden. Denn Stress bei Vorgesetzten führt zu Stress bei Arbeitnehmern, die einem hohen Druck ausgesetzt sind und schließlich häufig auch seelisch erkranken. Um Unzufriedenheit und innere Kündigungen zu verhindern, sind deshalb Arbeitgeber selbst gefragt: Ein kritisches Führungsverhalten, welches nicht nur vorübergehend besteht, sondern chronische Züge annimmt, sollte nicht toleriert werden. Denn es ist ein Grund, weshalb immer mehr Mitarbeiter gehen.
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