So bleiben Sie emotional wach.
In meinem letzten Blogartikel habe ich beschrieben, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte ihre Emotionen mit ihren Teams teilen. Gerade in Veränderungsprozessen. Das sorgt für menschliche Verbindung und hilft, gemeinschaftlich in die Veränderung zu gehen. Darauf kamen spannende Reaktionen von Leserinnen und Lesern. Mit dabei war eine ganz besonders interessante Frage: „Aber was ist, wenn die Führungskraft sich die eigenen Ängste oder Unsicherheiten gar nicht selbst eingesteht? Weil so viel Druck da ist, einfach zu funktionieren… Wie soll das dann gehen?“
Wenn Menschen nicht wissen, wie es ihnen geht
Als ich die Frage las, kamen mir sofort ein Beispiel in den Kopf: Eine Abteilungsleiterin, die bei mir im Coaching war. Nach einigen Sitzungen fragte ich sie: „Wir saßen jetzt schon mehrmals zusammen und reden über ziemlich heftige Themen. Aber ich spüre gar keine Gefühle bei Ihnen. Als würde Sie das innerlich gar nicht berühren. Woran liegt das?“ Die Dame schwieg zuerst. Dann erzählte sie mir, wie sie gelernt hat, ihre Gefühle nicht wahrzunehmen: „In den letzten Jahren kam es drauf an, im Beruf einfach zu funktionieren. Meine Gefühle waren da eher im Weg. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich meine Aufgaben einfacher erledigen kann, wenn ich meine Emotionen beiseitestelle“.
Wenn der Kopf über das Herz herrscht
Diesen Mechanismus kennen wir wahrscheinlich alle – mehr oder weniger ausgeprägt. Um das hohe Pensum und die belastenden Themen des (Führungs-) Alltags durchzuhalten, entkoppeln sich viele Menschen von ihren Gefühlen. Kurzfristig macht sie das leistungsfähiger. Weil „negative“ Emotionen wie Wut und Angst nicht mehr stören, sondern der Kopf Hoheit über das Herz hat. Aber langfristig hat das hohe Folgekosten. Für die Führungskräfte – weil sie einen Automatismus entwickeln, der die Gefühle immer weniger wahrnehmbar macht. Das kostet Lebensqualität und Energie. Übrigens nicht nur im Beruf, sondern gerade auch im Privatleben.
Emotionales Abschalten hat Folgekosten
Aber auch die Abteilungs- und Teamkolleginnen und -kollegen leiden darunter, wenn man als Führungskraft den emotionalen „Aus-Schalter“ betätigt. Gerade dann, wenn sie in anspruchsvollen Momenten der Veränderung emotionalen Beistand und Unterstützung brauchen. Das kann eine Führungskraft, die eigene Emotionen nicht zulässt, gar nicht leisten!
Wie wir emotional wach bleiben
Es gibt einen einfachen Trick, um im Alltag emotional mit sich selbst in Verbindung zu bleiben. Drei bis fünf Mal am Tag nehmen wir uns für nur 30 Sekunden eine kurze Auszeit und Abstand zu dem, was wir gerade tun, treten quasi kurz zur Seite und stellen uns folgende Fragen: „Wie geht es mir eigentlich gerade? Und warum? Und was kann ich tun, damit es mir ein bisschen besser geht?“ Wichtig ist im ersten Schritt, einfach nur zu bemerken, was hochkommt. Wenn es Wut ist – OK! Wenn es Freude ist – super! Hauptsache, Sie bemerken, was innerlich abläuft. Im zweiten Schritt fragen Sie: „Und warum geht es mir so?“ Vielleicht merken Sie, dass Sie noch wütend sind, weil Sie sich morgens über den Kommentar des Kollegen geärgert haben. Aber vielleicht sind Sie auch stinkig, weil das Projekt schlecht läuft und Sie befürchten, dass Ihnen Ihr Team wegen Überlastung wegbricht. Was auch immer es ist: akzeptieren Sie einfach, was los ist.
Und dann überlegen Sie noch, was Sie jetzt in diesem Moment tun können, damit es Ihnen ein ganz bisschen besser geht. Vielleicht etwas trinken? Das Fenster öffnen? Mit jemandem sprechen? Die Schultern kreisen und ein paar tiefe Atemzüge nehmen?
Diese kleine Übung hilft, wieder mehr im Kontakt mit sich und seinen Emotionen zu sein. Das ermöglicht Ihnen, auch besser im Kontakt mit anderen zu sein und auf deren Emotionen sich einzulassen – und aufrichtig und wach darauf zu reagieren. Das schaffen Sie mit ein bisschen Übung in einer kurzen Minute. Wenig Zeit, die einen riesigen Unterschied für Ihre menschliche Präsenz und Ihre Energie macht!