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Menschen suchen nach der Bestätigung ihrer Weltanschauung – 5 Fragen für mehr Wahrheit

Was man gegen die Bestätigungsverzerrung tun kann

Ja, habe ich denn in der Pandemie nichts gelernt? In den letzten zwei Jahren hatte ich doch eigentlich genug Trainingsmöglichkeiten, in dem endlosen Strom beängstigender Nachrichten nicht mehr unterzugehen, sondern bewusst zu steuern, wann und wie viele Nachrichten ich lese. Stattdessen ertappe ich mich wieder mehrfach am Tag, wie ich Liveblogs von (wie ich meine) seriösen Quellen verfolge und mich vom Strudel der Nachrichten einsaugen lasse. Fassungslos und immer in der Hoffnung, endlich mal wieder gute Neuigkeiten zu lesen, tippe und wische ich auf meinem Smartphone rum. Doch leider bleibt es bei der Hoffnung und so muss ich mich mental und emotional mehrfach am Tag immer wieder aufrichten und mich wieder auf das Positive fokussieren muss. Es kommt mir immer so vor, als wenn ich kurz in die Hölle abtauche und dann wieder mich hochraffe. Das kostet viel Energie. Doch jetzt endlich, seit einigen Tagen schaffe ich es mittlerweile, nur noch einmal am Tag die Nachrichten zu verfolgen. Damit geht es mir viel besser. Mmm… diese Erkenntnis hatte ich so ziemlich genau vor zwei Jahren auch schon mal… Nunja.

Informationsflut führt zur Polarisierung

Jeden Tag informieren uns nicht nur die „üblichen“ Nachrichtensender, sondern auch noch Milliarden von Beiträgen auf Facebook, 500 Millionen neue Tweets bei Twitter und 200 Millionen neue Instagram-Bilder. Und jede Minute werden 500 Stunden Video auf YouTube hochgeladen und natürlich sind Websites jeder Größe und politischer Ausrichtung nicht zu vergessen. Das alles kann natürlich kein Mensch sinnvoll verarbeiten! Wenn wir heute eine Zeitung lesen, entspricht das der Menge an Informationen, die ein Bauer im 17. Jahrhundert über sein ganzes Leben verteilt bekommen hat – so der Psychiater und Neurowissenschaftler Dr. Volker Busch. Die explosionsartig gestiegene Zahl von Nachrichten- und Infoquellen hat viele Auswirkungen – individuell und gesellschaftlich. Sie führt unter anderem zu einer zunehmenden politischen Polarisierung. Vahideh Manshadi von der Yale University und ihre Co-Autoren zeigen in einer Studie, dass Menschen angesichts einer Flut von Informationen dazu neigen, das zu glauben, was ihre bestehenden Überzeugungen bestärkt. Wir suchen uns also (unbewusst) nur die Informationen aus, die unsere Weltanschauung bestätigen.

Das ist nur menschlich, …

… denn dadurch fühlen wir uns sicherer, als wenn wir unsere Weltanschauung neu überdenken oder gar ausrichten müssten. Das wäre auch viel anstrengender, da wir uns auf unbekanntem Terrain erstmal durchackern müssen, bis wir es halbwegs verstehen und den Überblick haben. Es ist also schlicht bequemer, fühlt sich vertrauter und sicherer an, wenn wir bei unserer Weltanschauung bleiben und sie uns immer wieder bestätigen, dass alles so ist, wie ich denke, wie es ist.

Bestätigungsverzerrung in sozialen Medien

Der Aufstieg der sozialen Medien und die Zersplitterung der Massenmedien hat eine Verbreitung neuer Informationsquellen ausgelöst, von denen Nutzer oft nicht wissen, ob sie seriös sind, schreiben Vahideh Manshadi und Co. Das Problem aus meiner Sicht ist, dass viele Nutzer gar nicht erst auf die Idee kommen, die Quelle zu hinterfragen oder zu prüfen. Sei es aus Bequemlichkeit, Naivität oder Unfähigkeit. Hat eine Informations-Quelle eine unbekannte Glaubwürdigkeit, wie es in den sozialen Medien häufig der Fall ist, filtern Personen das, was sie lesen, auf der Grundlage früherer Überzeugungen heraus – so die Studie. Diese Bestätigungsverzerrung, bei der Menschen nach Informationen suchen oder diese so interpretieren, dass sie bestehende Überzeugungen stützen, ist ein altbekanntes und menschliches Phänomen.

Was kann man dagegen tun?

Manshadi zufolge müssten die Menschen ihre Vorurteile erkennen, aktiv unterdrücken und sich gezielt verschiedenen Nachrichtenquellen aussetzen. Auf der anderen Seite sollten Unternehmen wie Facebook und Google besser dafür sorgen, wahre Informationen aktiv von Unwahrheiten und Verschwörungen zu trennen. Facebook hat vor einigen Jahren genau das getan und kündigte an, nicht vertrauenswürdige Beiträge zu kennzeichnen. Die Benutzer unterstellten Facebook jedoch, dass das Unternehmen voreingenommen sei, weshalb Facebook entschied, dass die Präsentation einer Vielzahl von unterschiedlichen Informationen den Menschen schon helfen würde, ein Problem rational abzuwägen und sich auf diese Weise einer allgemein akzeptierten Wahrheit zu nähern. Das ist wohl ein Irrtum, wenn man Manshadi glauben darf. Also kann nur jeder selbst seinen Kopf einschalten, selber denken und auch andere zum kritischen Hinterfragen ermutigen und zu Diskussionen einladen.

Diese Fragen kann jeder sich selbst oder anderen stellen 

Klassische Coaching-Fragen, die ich gerne nutze, um Menschen einzuladen, ihre hinderlichen Glaubenssätze zu hinterfragen, sind ein guter Anfang für die Selbstreflexion oder Diskussion mit anderen:

  • „Wer sagt/schreibt das?“
  • „Was hat die Quelle davon, wenn ich glaube/Du glaubst, dass das die Wahrheit ist?“
  • „Kann ich mir/kannst Du Dir zu 100% sicher sein, dass das wirklich die Wahrheit ist?“
  • „Wie verhalte ich mich/verhältst Du Dich, wenn ich/Du glaube/glaubst, dass dass die Wahrheit ist?
  • „Und wie würde ich mich verhalten, wenn das nicht die Wahrheit wäre?“

Während ich diesen Artikel schreibe, erinnere ich mich an den Film „Wag the Dog“, der mich vor langer Zeit mal sehr nachdenklich gemacht hat, da es darum geht, wie „Wahrheiten“ produziert werden.  

Und ich denke, wie schön es wäre, wenn der schreckliche Krieg auch nur eine Hollywood-Produktion wäre. Doch leider ist er das nicht. Und ich lebe jeden Tag sehr bewusst und voller Dankbarkeit, dass meine Familie, Freunde und ich in Sicherheit sind und es uns gut geht. Voller Demut. Denn ich weiß nicht, ob es so bleibt. Wer weiß schon was morgen ist? Oder nächste Woche? Oder gar nächstes Jahr? Wir alle haben in den letzten zwei Jahren gelernt, auf Sicht zu fliegen, Unvorhersehbares irgendwie zu meistern, mit Ungewissheit zu leben, spontan und flexibel zu sein. Ich spüre, wie ich mich wieder nach mehr Planungssicherheit sehne. Aber vor allem nach Frieden! Und bis dahin fokussiere ich mich ganz bewusst auf die guten, sonnigen Seiten und sage mir mehrfach am Tag: „Jetzt und hier sind meine Lieben und ich sicher und gesund. Jetzt und hier geht es meinen Lieben und mir gut. Jetzt und hier haben wir mehr, als wir zum Leben brauchen. DANKE!“

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